Immer wieder liest man in Forum oder Social Networks, dass Brettspiele besonders und innovativ sein müssen, damit sie heute noch eine Daseinsberechtigung haben.
Doch was bedeutet besonders und innovativ im Bezug auf Brettspiele überhaupt? Und wie besonders und innovativ müssen Brettspiele sein, damit du diese kaufst und in dein Regal stellst?
Diesen Fragen gehe ich im Folgenden nach und freue mich sehr auf deine Meinung dazu.
Wie besonders und innovativ müssen Brettspiele sein?
Die Masse an Brettspiel-Veröffentlichungen ist in den letzten Jahren immer weiter gewachsen und zur SPIEL in Essen gibt es inzwischen mehr als 1.000 Neuheiten.
Und nicht nur das, auch während des restlichen Jahres erscheinen viele neue Brettspiele, ein Sommerloch gibt es zum Beispiel gar nicht mehr.
Da ist es nicht verwunderlich, dass viele Spielerinnen und Spieler inzwischen sehr zurückhaltend mit dem Kauf neuer Spiele sind. Immer wieder hört man, dass ein Spiel besonders und innovativ sein muss, damit es dieses in die eigene Sammlung schafft.
Doch was bedeutet besonders und innovativ im Bezug auf Brettspiele? Und kann das auch negative Folgen haben?
Das Rad neu erfinden?
Der Ruf nach dem Besonderen bei Brettspielen ist meiner Meinung nach ähnlich der Sehnsucht nach dem perfekten Review.
Es gibt nicht das eine perfekte Review, denn jede Spielerin und jeder Spieler ist anders und so legt man auf ganz andere Dinge wert. Genauso ist es mit „besonders und innovativ“.
Zum einen versteht jeder etwas anderes darunter. Wenn ich bestimmte Elemente eines Brettspiels über eine App integriere, dann ist das für die einen innovativ, während es andere hassen. Ich kann zudem 1 Meter große Meeple in mein Spiel integrieren und einen 5×5 Meter Spielplan bauen, was das Spiel auf jeden Fall besonders macht, aber ist es deshalb besser als andere Spiele? Sicher nicht.
Zudem können besondere Ideen und Mechaniken sicher neu sein, aber oft sind sie dann auch ungewohnt und unausgereift. Viele Autoren greifen genau deshalb lieber auf bekannte Elemente zurück.
Es kommt also meiner Meinung nach nicht darauf an, dass ein Spiel besonders und innovativ ist. Was die meisten eher meinen ist, dass das Spielgefühl ein anderes ist und man nicht immer wieder das Gefühl hat, eigentlich das Gleiche zu machen, wie in älteren Spielen.
Und die Frage ist, müssen Brettspiele überhaupt besonders und innovativ sein. Schließlich spielen auch heute noch viele Menschen die Klassiker.
Ein Brettspiel zu etwas Besonderem machen
Die Kunst des Brettspiel-Designs liegt meiner Meinung nach genau darin, zwar ein besonderes Spielgefühl zu bieten, was sich von Bekanntem unterscheidet, aber dabei nicht allzu sehr von gewohnten und gelernten Elementen abzuweichen.
Dass das nicht immer gelingt, zeigen Beispiele. So hatte Discover: Zu unentdeckten Landen einen wirklich besonderen Ansatz, der sehr spannend klang. Jedes Spiel sollte Unterschiede haben und sich anders spielen. Das gelang dann allerdings nicht wirklich gut.
Discover: Zu unentdeckten Landen(Asmodee) |
In diesem Brettspiel gilt es ein neues Land zu entdecken und dabei Abenteuer zu bestehen und zu überleben. Das modulare Spielbrett ist dabei das große Highlight. |
Autor: Corey Konieczka Grafiker: Juliette Brocal, Chan Chau, Keny Widjaja |
1 - 4 Spieler ab 12 Jahren 60 - 120 Minuten 5.8 von 10 BGG Bewertung Pos. 7456 BGG Position |
Preis inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten | Preis-Info |
Dagegen bringt Tzolk’in: Der Maya-Kalender mechanisch etwas wirklich anderes mit. Die Zahnräder sind besonders und innovativ. Das Spiel kam sehr gut an und ist bis heute ein Liebling vieler Vielspieler.
Tzolk'in: Der Maya-Kalender(Czech Games Edition) |
Anspruchsvolles Aktionswahl-Spiel, welches durch die Zahnräder viel Vorausplanung erfordert. Dafür gibt es sehr gut ineinandergreifende Mechaniken und eine tolle Ausstattung. |
Deutscher SpielePreis 2013 - |
Autoren: Simone Luciani, Daniele Tascini Grafiker: Milan Vavroň |
2 - 4 Spieler ab 13 Jahren ca. 90 Minuten 7.9 von 10 BGG Bewertung Pos. 59 BGG Position |
Preis inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten | Preis-Info |
Besonders war sicher auch MicroMacro: Crime City, aber war es auch innovativ? Da kann man sich sicher drüber streiten. Es wurde zum Spiel des Jahres gekürt und ist erfolgreich, hat aber zumindest mich nicht gereizt.
MicroMacro: Crime City(Edition Spielwiese) |
Auf einer 75 x 110 cm Stadtkarte, mit vielen kleinen Einwohnern, Häusern usw. suchen wir Antworten auf Fragen zu Kriminalfällen. |
Spiel des Jahres 2021 |
Deutscher SpielePreis 2021 - |
Autor: Johannes Sich Grafiker: Daniel Goll, Tobias Jochinke, Johannes Sich |
1 - 4 Spieler ab 12 Jahren 15 - 45 Minuten 7.5 von 10 BGG Bewertung Pos. 240 BGG Position |
Sehr einsteigerfreundliches und spaßiges Familienspiel, dass zum Entdecken einlädt. |
Preis inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten | Preis-Info |
Catan gilt als der Begründer der modernen Brettspiele und hat bis heute sehr viele Fans. Die Mechaniken, gerade das Handeln, waren damals besonders und innovativ und haben zum großen Erfolg beigetragen.
Catan(KOSMOS) |
Verhandeln und Rohstoffe tauschen steht hier im Mittelpunkt, um damit Straße und Siedlungen zu errichten. So breiten wir uns aus und müssen auch immer wieder mit dem Räuber klarkommen. |
Spiel des Jahres 1995 |
Deutscher SpielePreis 1995 - |
Autor: Klaus Teuber Grafiker: Volkan Baga, Tanja Donner, Pete Fenlon, Jason Hawkins, Michaela Kienle, Andreas Klober, Harald Lieske, Michael Menzel, Marion Pott, Andreas Resch, Matt Schwabel, Franz Vohwinkel, Stephen Graham Walsh |
3 - 4 Spieler ab 10 Jahren 60 - 120 Minuten 7.1 von 10 BGG Bewertung Pos. 529 BGG Position |
Das Handeln ist auch heute noch etwas besonderes, während es ansonsten etwas altbacken wirkt. Dennoch ein zugängliches Familienspiel. |
Preis inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten | Preis-Info |
Viele Beispiele finden sich auch im Bereich des Crowdfundings. Da dort kein Verlag und keine Redaktion die Ecken und Kanten abschleift und auch die kreativsten Ideen umgesetzt werden können, findet man eine Menge besonderer Brettspiele dort.
Doch viele davon sind dennoch nicht erfolgreich und kommen nicht gut an, denn das allein reicht eben nicht.
innoSPIEL Award
Vor ein paar Jahren hat der Friedhelm Merz Verlag und die Stadt Essen den innoSPIEL aus der Taufe gehoben.
Damit sollen besondere Innovationen in der Welt der Familien- und Gesellschaftsspiele geehrt werden. Das ist auch eine gute Sache, da auf diese Weise ungewöhnliche neue Spiele mehr Aufmerksamkeit bekommen. Aber sind diese auch alle erfolgreich?
Wenn man sich die Gewinner und Nominierten der letzten Jahre anschaut, dann sind da viele dabei, die zwar anders und besonders waren, aber nicht unbedingt erfolgreich.
Besonders und innovativ zu sein ist also zumindest keine Garantie darauf, dass es auch viele Spielerinnen und Spieler toll finden.
Evolution statt Revolution
Aus meiner langjährigen Spielerfahrung kann ich deshalb sagen, dass mir Evolution bei Brettspielen meist lieber ist, als Revolution.
Ich habe lieber bekannte und erprobte Mechaniken, die weiterentwickelt oder kombiniert werden. Auf diese Weise sind diese Spiele meist runder und spielen sich besser, auch wenn sie nichts komplett Neues bieten.
Durch clevere neue Kniffe und Abwandlungen kann man dennoch ein besonderes Spielgefühl bieten. Beispiele gibt es dafür genug. So basiert Räuber der Nordsee auf dem klassischen Worker Placement, macht dies aber auf eine besondere Art und Weise.
Räuber der Nordsee(Schwerkraft-Verlag) |
Als Wikinger versuchen wir per Worker Placement Ressourcen im Dorf zu bekommen und zudem Mannschafts-Mitglieder anzuheuern. Mit bis zu 5 davon und genügend Ressourcen überfallen wir Orte auf der Karten und bekommen Siegpunkte und weitere Ressourcen. |
Autor: Shem Phillips Grafiker: Mihajlo Dimitrievski |
2 - 4 Spieler ab 12 Jahren 60 - 80 Minuten 7.7 von 10 BGG Bewertung Pos. 99 BGG Position |
Tolle Mechaniken und viel Spielspaß bringt dieses Spiel mit. Gefällt mir der sehr gut. |
2 Euro Rabatt-Code: SE2NK8 |
Mein Lieblingsspiel Great Western Trail macht bei den einzelnen Mechaniken nichts wirklich Neues, aber deren Kombination ist hier (meiner Meinung nach) perfekt gelungen und das macht es für mich zu einem absoluten Top-Spiel.
Great Western Trail(eggertspiele) |
Verschiedene Rinder auf die eigene Hand zu bekommen ist hier das Ziel. Dabei können wir auch neue Rinderkarten kaufen oder unseren Zug weiterfahren lassen. Die Möglichkeiten sind vielfältig. |
Deutscher SpielePreis 2017 - |
Autor: Alexander Pfister Grafiker: Andreas Resch |
2 - 4 Spieler ab 12 Jahren 75 - 150 Minuten 8.2 von 10 BGG Bewertung Pos. 15 BGG Position |
Großartiges Eurogame, dass sehr elegant ist, viele Mechaniken bietet und das ich einfach liebe! |
Wie besonders und innovativ müssen Brettspiele sein?
Mich würde nun sehr interessieren, wie ihr das seht.
Müssen neue Spiele wirklich etwas komplett neu oder innovativ machen? Oder habt ihr viele ähnliche Spiele, die aber im Detail etwas anders machen und damit ein anderes Spielgefühl erzeugen?
Hinterlasst gern einen Kommentar, denn eure Meinung würde mich sehr interessieren.
Brettspiele müssen nicht immer das Rad neu erfinden. Wenn bestehende Mechaniken gut verknüpft werden und es Spaß macht, ist das mindestens genauso so gut (Beispiel: Mille Fiori oder Witchstone). Neue Mechaniken bringen frischen Wind auf den Spieltisch und sind auch gerne gesehen.
Kann dir grundsätzlich bei Evolution vs. Revolution zustimmen, insb. bei Expertenspielen profitiert die Erlernbarkeit durch bekannte Mechanismen und Innovation liegt oft in der Kombination und kleinen, neuen Kniffen. Bei MicroMacro muss ich dir allerdings widersprechen. So kleine Familienspiele dürfen gerne mal was komplett neues machen und das funktioniert bei MicroMacro genial.
Als großer Fan von thematischen Spielen würde ich deinen Artikel gerne noch ergänzen um thematische Innovation. Ich bin oft begeistert, wie Autoren, Illustratoren und Verlage es schaffen, einen bekannten Mechanismus ggf. leicht abgewandelt in ein neuen Gewand zu kleiden und eine Symbiose aus Thema und Mechanik zu schaffen.