Ich habe vor vielen Jahren Kickstarter kennengelernt und war von der Möglichkeit spannende kreative Projekte zu unterstützen begeistert.
Natürlich habe ich dann auch recht schnell die Brettspiele auf Kickstarter entdeckt und seitdem mehr als 100 Kampagnen finanziell unterstützt.
Doch die Zeiten ändern sich und mittlerweile werde ich immer kritischer, was Crowdfunding-Projekte angeht. Ich stelle mir immer öfter die Frage: Lohnt sich Kickstarter noch?
Lohnt sich Kickstarter noch?
Ich war lange Zeit begeistert von Kickstarter und den dortigen Brettspiel-Crowdfundings und habe sehr gute Erfahrungen gemacht. Es war einfach toll zu sehen, dass dort z.B. sehr kreative Projekte an den Start gegangen sind, die es so wohl nicht in eine normale Veröffentlichung geschafft hätten.
Gerade diese kreative Vielfalt war es, die mich besonders angesprochen hat.
Doch mit den Jahren änderte sich die Kickstarter-Welt und immer mehr große Firmen nutzen die Plattform als Vorbesteller-Tool, was zwar verständlich ist, aber nicht der Sinn der Sache.
Hinzu kommt, dass die Qualität eines Teil der Kickstarter-Spiele nicht wirklich so ist, wie man sich das wünschen würde. Mittlweile wird zudem mehr auf Bling Bling, also z.B. Miniaturen, sinnlose Stretch Goals und so weiter geachtet, anstatt das beste Spiel mit dem wengisten Ballast zu veröffentlichen. Zudem habe ich mittlerweile auch schon zwei fehlgeschlagene Projekte erlebt.
Früher hat man als Kickstarter-Unterstützer auch meist noch preislich wirklich was gespart, denn die Verlage konnten damit ja den Handel ausschalten und haben das oft an die Unterstützer in Form von Rabatten weitergegeben. Heute sind die Preise oft nicht mehr viel günstiger, als später im Laden. Okay, dann fehlen auch einige Stretch Goals, aber geschenkt, die nutzen eh die wenigsten.
Oder man bezahlt als Backer sogar deutlich mehr, da Minis und andere Deluxe-Komponenten dabei sind, die zumindest in meinen Augen oft nicht wirklich notwendig sind. Hin und wieder gab es kurz nach der Auslieferung an die Backer schon Sonderabgebote, die natürlich deutlich unter dem Pledge-Betrag lagen.
Oft gibt es die Spiele dann sowieso im Handel, zumindest von so großen Firmen wie CMON und Co.. Manchmal bekommt man diese als Backer dann sogar später als der normale Retail-Käufer, was wirklich ein Unding ist.
Ein weiteres aktuelles Problem sind die Versandkosten, die immer höher werden. Offiziell steigen die Transportkosten durch den Handelsstreit mit China und anderen Dingen. Nicht selten sieht es aber einfach danach aus, als ob hier versucht wird über die Versandkosten noch etwas mehr Profit zu machen.
Und wie oben schon geschrieben, ist ein Teil der Kickstarter-Brettspiele auch nicht ausgereift, da oft eine richtige Redaktion fehlt. Da hilft es auch nicht, wenn viele Kickstarter mehr auf Schein (Minis …) setzen, als auf Sein.
Das sind einige der grundsätzlichen Probleme, die mich in letzter Zeit deutlich zurückhaltender haben werden lassen. Doch obwohl es dennoch viele tolle Spiele zu einem guten Preis auf der Crodfundingplattform gibt, gibt es weitere Gründe, den Einstieg bei Kickstarter zu überdenken.
Lokalisierungen
Lokalisierungen sind einer dieser Gründe. Vieles kommt mittlerweile auch auf deutsch bei Kleinverlagen und größeren Publishern raus.
Skellig Games bringt z.B. The Isle of Cats auf deutsch heraus. Board Game Box hat mit Western Legends, Arkeis und Monster Slaughter umfangreiche Kickstarter-Spiele im deutschsprachigen Programm.
Frosted Games und Board Game Circus haben Endeavor lokalisiert, während Pegasus Spiele unter anderem Tainted Grail hierzulande veröffentlicht hat.
Der Schwerkraft Verlag bringt ebenfalls immer wieder Kickstarter nach Deutschland, wie letztens erst Oceans. TL Games hat bereits Coloma und Robin Hood and the Merry Men übersetzt.
Und Asmodee nimmt sich auch einigen Crowdfundingspielen an, wie z.B. Excavation Eath in diesem Herbst.
Die Spieleschmiede
Die deutsche Spieleschmiede lokalisiert ebenfalls immer wieder Kickstarter und das zu meist sehr guten Preisen.
Zwar wird immer mal wieder über die Qualität der Übersetzungen diskutiert, aber ich war mit meinen Spieleschmiede-Projekten bisher immer zufrieden.
Kickstarter in deutschen Shops
Nichtzuletzt gibt es durchaus auch später noch Möglichkeiten Kickstarter-Spiele in Shops zu kaufen.
So bietet z.B. thegamesteward.com eine Vielzahl an Brettspielen an, die auf Kickstarter finanziert wurden.
Auch andere Shop, wie Fantasywelt, die Brettspielbude oder Spieletaxi haben einige im Programm.
Zudem finden sich nach der Auslieferung auch immer wieder Verkaufsangebote in Brettspiel-Foren und auf Facebook.
Warum ich dennoch weiterhin auf Kickstarter dabei bin
Muss man also überhaupt noch bei Kickstarter mitmachen? Mal abgesehen davon, dass niemand MUSS, so gibt es derzeit auch einige Alternativen, wie man an die Spiele später rankommt. Sicher sind da einige Extras und Stretch Goals nicht dabei, aber wirklich brauchen tut man diese selten.
Dennoch werde ich in Zukunft weiterhin Geld bei Kickstarter lassen, wenn auch weniger, als in den letzten Jahren. Gerade kleine und auch besondere Projekte, die in dieser Form wohl keinen normalen Verlag finden würden, finde ich weiterhin spannend.
Auch die Möglichkeit die englischsprachigen Brettspiele früher als die deutschen Lokalisationen zu bekommen, ist natürlich sehr interessant. Zumal eine Lokalisierung oft nicht garantiert ist (und deren Qualität ebenfalls nicht).
Und manchmal kann man wirklich auch noch Geld auf Kickstarter sparen und manche Stretch Goals sind durchaus sehr interessant. Nichtzuletzt gibt es einen großen Teil der Brettspiel-Kickstarter, gerade in Nischengenres, eben nur dort und nicht später im Handel.
Ich werde also auch in Zukunft Brettspiel-Kickstarter unterstützen und hier im Blog vorstellen, aber ich werde da weiteraus kritischer und prüfender herangehen, als ich das noch vor ein bis zwei Jahren gemacht habe.
Was denkt ihr? Lohnt sich Kickstarter noch? Was sind eure Erfahrungen und wie macht ihr das in Zukunft?
Hallo Peer,
ein sehr interessanter Artikel! Ich denke, dass Kickstarter für die Brettspiel-Szene nach wie vor eine große Rolle spielt. Du hast Recht, immer mehr große Firmen lassen sich ihre Spiele über Crowdfunding finanzieren und ich beobachte selbst den Trend, dass durch Minis oder unnötige stretch goals der Preis in die Höhe getrieben wird, dem Spiel selbst aber oft die Essenz, das „gewisse Etwas“ fehlt. Nichtsdestotrotz halte ich Kickstarter für eine fantastische Plattform, besonders für unbekannte Künstler oder Erstlingsprojekte. So haben, wie du in deinem Artikel richtig bemerkt hast, Projekte, die bei Verlagen vielleicht nicht untergekommen wären, eine Chance, verwirklicht zu werden. Und genau das ist für mich der Zauber dieser Plattform: Ein Ort für kreative Schöpfer um ihre Idee, ihre Vision – ihren Traum vorzustellen. Und gibt es genug Leute, die diesen Traum teilen, wird er verwirklicht.
Ich selber habe mit einem Partner vor, im nächsten Jahr ein Spiel zu entwickeln und dieses dann auf Kickstarter vorzustellen. Zunächst nur ein kleines Kartenspiel-Projekt, doch wir beide teilen die Faszination, gemeinsam mit einer Community ein Spiel ins Leben zu rufen.
Möglich, dass sich Kickstarter in den vergangen Jahren verändert hat, doch wir beide können es kaum erwarten ;)
Viele Grüße
Albert
Da bin ich mal gespannt, was du da vorhast. :-)
Danke für den Beitrag!
die Website von thegamesteward ist zwar auf deutsch, aber befindet sich in USA.
Die Preise sehen gut aus, aber Shipping + VAT (um das man sich da wohl selbst kümmern muss) kommen ja noch drauf.
Da kommt die Brettspielbude, die evtl. ~ 20% Aufschlag nimmt wahrscheinlich günstiger.
Da hast du recht. Das VAT Thema hat sich ja nochmal verschärft und deshalb werde ich den Artikel demnächst mal überarbeiten.