Das komplexe Eurogame Aelderman hat Johannes mit seinem Team entwickelt und über Crowdfunding realisiert.
Im Interview mit dem Wiener geht es um die Gründung von Rockerl Games, die Entwicklung von Aelderman und die vielen Herausforderungen für einen neuen Verlag.
Mittelalter, Die Hanse, Crowdfunding und mehr – Aelderman von Rockerl Games
Ich bin sehr gespannt auf Aelderman von Rockerl Games und im Folgenden bekommt ihr viele interessante Einblicke in die Entstehung des Spiels.
Hallo. Bitte stell dich kurz vor.
Hi, ich bin Johannes. Glücklicher Ehemann, stolzer Vater einer eineinhalbjährigen Tochter, passionierter Lehrer an der Fachoberschule, einer der Geschäftsführer bei Rockerl Games und enthusiastischer Brettspielautor.
Wie bist du zum Brettspiel-Hobby gekommen und was waren deine ersten Brettspiele?
In meiner Kindheit bin ich ohne Fernseher groß geworden, womit ich in meiner Klasse regelmäßig die einzige Ausnahme dargestellt habe. Wir haben familienintern immer wieder darüber diskutiert, ob dieser Zustand so bleiben soll. Meine Eltern haben an dieser Stelle mir und meinen beiden Brüdern recht große Mitspracherechte eingeräumt.
Resultat der abendlichen Gespräche war aber immer, dass wir feststellten, wie sehr wir die gemeinsame Zeit für Brettspiele schätzten und uns diese nicht von dem Röhrengerät rauben lassen wollten.
Insofern bin ich erstmal mit Siedler von Catan und anderen Familienspielen groß geworden. Dann gab es in meiner Teenagerzeit eine längere Pause bis ich dann meine spätere Ehefrau und ihre brettspielfanatische Familie kennenlernte. Dort fand ich über Agricola den Einstieg in die Welt der Kenner- und Expertenspiele und von da an konnten die Spiele nicht komplex und lang genug sein.
Warum liebst du Brettspiele?
Auch wenn sich das in letzter Zeit etwas relativiert hat, bin ich immer noch in erster Linie Liebhaber von Expertenspielen. An diesen schätze ich, dass sie mich vor wirkliche Herausforderungen stellen. Ich liebe es, am „besten Weg“ zu tüfteln und Schritt für Schritt die eigene Engine aufzubauen.
Außerdem ist es für mich eine wunderbare Art, Zeit mit Freunden und Gleichgesinnten zu verbringen. Für mich vergeht bei kaum einer Beschäftigung die Zeit subjektiv so schnell wie beim Brettspielen und das ist doch immer ein gutes Zeichen, oder?
Wie ist Rockerl Games entstanden und was ist euer Ziel?
Meine Frau und ich kamen 2021 mit einem Prototyp von Aelderman von einer einjährigen Weltreise zurück. Auf der Reise hatten wir immer wieder Zeit an der Spielidee zu arbeiten und das Resultat konnte sich damals schon wirklich sehen lassen. Gemeinsam mit meinem Schwager und seiner Frau ist dann die Idee gewachsen einen Verlag zu gründen, um Aelderman Wirklichkeit werden zu lassen, nachdem wir alle überzeugt waren von dem Spiel.
Aelderman(Rockerl Games) |
Wir handeln und bauen Lübeck aus, um Präsident der Hanse zu werden. Zudem erweitern wir unseren Einfluss im Baltikum und müssen unsere Aktionspunkte gut überlegt einsetzen. |
Autoren: Joachim Eckerl, Johannes Rogoll Grafiker: Ryan Lowe |
1 - 4 Spieler ab 14 Jahren 100 - 180 Minuten 7.8 von 10 BGG Bewertung Pos. 9118 BGG Position |
Interessantes und sehr anspruchsvolles Eurogame, das sogar eine Einstiegsvariante mitbringt. |
Unser Ziel ist es nun zunächst das Projekt Aelderman abzuschließen. Nachdem wir letzten Herbst die erfolgreiche Kickstarterkampagne durchgebracht haben, stehen wir nun nicht mal ein Jahr später schon kurz vor der Auslieferung an unsere Backer. Damit haben wir ein ganz schönes Tempo vorgelegt, und das obwohl wir alle Rockerl Games nur nebenberuflich betreiben.
Wir wollen uns zunächst auf die Realisierung eigener Ideen beschränken, von denen wir noch einige in der Schublade haben. Später können wir uns aber auch vorstellen, Ideen anderer AutorenInnen zu verlegen. Mit der Zeit lernt man immer mehr Menschen aus der Community kennen und kommt auch mit anderen AutorInnen ins Gespräch, beispielsweise durch einen Spielekreis in Wien, über den wir unter anderem Alexander Pfister und Wolfgang Warsch kennenlernen durften. Vielleicht ergibt sich hier oder da auch ein gemeinsames Projekt
Worum geht es in Aelderman? Was ist das Besondere an Aelderman und an wen richtet es sich?
Aelderman zielt in erster Linie auf die Gruppe der VielspielerInnen ab. Mit der integrierten Kurzversion kann das Spiel aber durchaus auch den Zugang zum Genre der Expertenspiele eröffnen. Nachdem die Kurzversion im Gegensatz zur Hauptversion auch nicht direkt kompetitiv gestaltet ist, stehen im Prinzip zwei Spielmodi zur Verfügung.
Wir bringen mit Aelderman ein weiteres Spiel auf den Markt, bei dem man als mittelalterlicher Händler unterwegs ist: Mit dieser Thematik gibt es wirklich viele Spiele. Und auch wenn uns der thematische Bezug zur Hanse sicherlich schon in eine kleinere Nische rückt, muss das Spiel sich trotzdem durch innovative Spielmechanismen auszeichnen, um als Handelssimulation bestehen zu können.
Und das Handelsprinzip in Aelderman stellt tatsächlich eine erste Besonderheit dar. Das Herzstück dieses Prinzips bildet das Einkaufsrad auf jedem Spielertableau. Der Grundgedanke hierbei ist, dass man als Händler Zeit investiert, um dann einen Mehrwert zu erhalten. Deswegen brauche ich für die normale Einkaufsaktion im Spiel auch kein Geld, was erstmal irritieren mag, sondern Aktionspunkte. Zudem simuliert das Einkaufsrad das ständig wechselnde Warenangebot in den verschiedenen Städten. Sogar regional gehäuft vorkommende Waren werden über das Rad abgebildet. So ist es beispielsweise in Skandinavien leichter Holz einzukaufen als im südlichen Hanseraum. Spielmechanisch kann es anfangs durchaus eine herausfordernde Aufgabe sein, an die gewünschten Waren zu kommen.
Aelderman ist ein Workermovement-Spiel, was bedeutet, dass man nur einen Arbeiter besitzt, der über den Spielplan bewegt wird und dann Aktionen ausführt. Thematisch passend fahren wir also mit unserer Handelskogge verschiedene Städte an und verbrauchen dort unsere Aktionspunkte. Während des Spiels verändern sich aber auch immer wieder die Aktionsmöglichkeiten und damit zusammenhängend auch die Warennachfrage in den Städten für den Warenverkauf. Diese Art, Handel zu simulieren, bildet auf einzigartige Weise viele Aspekte realen Handels ab.
Die entscheidenden Besonderheiten des Spiels liegen aber in der Mechanik. Diese ist so gestaltet, dass auch wirklich verschiedene Wege zum Sieg führen können. Ich kann mich zum Beispiel auf den Handel, den Bau von Gebäuden oder die Verbesserung meiner Aktionsmöglichkeiten konzentrieren. Gerade weil der Spielaufbau variabel ist, muss ich meine Strategie auch in jedem Spiel neu ausrichten.
Entscheidend war für uns bei der Entwicklung auch, dass Zufallselemente zwar eine Rolle spielen, diese aber die Spielenden gleichermaßen vor Herausforderungen stellen und keine Vorentscheidung im Spiel bringen.
Als letztes ist noch kurz die psychologische Komponente des Spiels zu nennen, die sicherlich einen besonderen strategischen Faktor darstellt. In jeder der fünf Spielrunden findet beim Hansetag die Versteigerung von wertvollen Privilegien statt. Und diese haben sehr wohl entscheidenden Einfluss auf den Spielverlauf. Das richtige Einschätzen seiner Mitspielenden ist also mitentscheidend für den Ausgang des Spiels.
Den Reiz von Alederman macht für uns dementsprechend vor allem die Kombination dieser Spielmechanismen zu einer innovativen Gesamtkonzeption aus.
Ihr habt Aelderman über Kickstarter finanziert. Warum ist eure Wahl auf Crowdfunding gefallen und wie waren eure Erfahrungen?
Das Crowdfunding war für uns wesentlich für die Finanzierung von Aelderman. An dieser Stelle ein herzliches Dankschön an alle, die uns auf Kickstarter unterstützt haben!
Als ganz junger Verlag mussten wir privat in Vorleistung gehen und durch die Kickstarterkampagne wurde das finanzielle Risiko für uns deutlich kalkulierbarer. Gleichzeitig ist es schon ein gewagter Schritt, weil die statistischen Daten belegen, dass nur etwa 30% der Crowdfundingkampagnen ihr Finanzierungsziel erreichen.
Auch bei uns hätte ein Scheitern der Kampagne eventuell das Ende des gesamten Projekts bedeutet, weil schon sehr viele zeitliche und finanzielle Ressourcen in so eine Kampagne fließen. Wir haben uns beispielsweise dazu entschieden, unsere Werbung in erster Linie über Facebook zu schalten, um so vor allem auch die amerikanische Brettspielcommunity erreichen zu können. Dieser Plan ging aber nicht wirklich auf. Gerade beim Marketing würden wir beim nächsten Projekt sicherlich vieles anders machen.
Was waren die größten Herausforderungen und wo gab es Probleme bei der Umsetzung von Aelderman?
Das Marketing habe ich gerade ja schon angesprochen. Gerade heute steht man auch als junges Unternehmen schon in globaler Konkurrenz durch die vernetzte Welt. Das ist Herausforderung und Chance zugleich.
Das ganze Projekt war für uns eine ständige Mehrfachbelastung in vielerlei Hinsicht. Wir alle haben Kinder und sind wie gesagt voll berufstätig. Aber gerade letztes Jahr ging es auch nicht nur darum, Aelderman voranzubringen. Vielmehr musste auch die ganze Verlagsstruktur aufgebaut werden: Gründung der GmbH, Aufbau der Webpräsenz, Organisation der internen Abläufe, Buchhaltung, usw.. Immer wieder kamen und kommen wir deswegen an unsere zeitlichen Kapazitätsgrenzen. Aber es macht auch unglaublich viel Spaß und das motiviert uns weiterzumachen!
Nachdem wir bei Longpack in China das Spiel produziert haben, war nun in letzter Zeit noch die Logistik eine große Herausforderung. Gerade wenn man diese zum ersten Mal aufbaut, ist am Anfang noch nicht absehbar, wo die entscheidenden Fallstricke liegen. Vor allem Dank meiner Schwägerin Sabrina, die sich mit viel Zeit und Energie in diese Thematik hineingefuchst hat, sind wir optimistisch diesen riesigen Brocken gut gemeistert zu haben.
Gibt es schon Pläne für weitere Spiele, die du verraten kannst?
Ich hatte schon angedeutet, dass viele weitere Ideen im Prototypenstatus existieren. Unter anderem gibt es Ideen für eine kooperative Erweiterung zu Aelderman, in der man gemeinsam historische Kampagnen durchläuft, um Lübeck im 14 Jhd. zur Blüte zu verhelfen.
Auch existieren Pläne für ein weiteres Expertenspiel und ein Familienspiel, aber sehen wir mal, was daraus wird.
Wie sieht die Brettspiel-Szene in Österreich aus?
Man muss hier sicherlich differenzieren. Aber in Wien gibt es auf jeden Fall eine sehr lebendige Brettspielszene. Wir sind schon seit einiger Zeit mit dem hier ansässigen Autorenstammtisch vernetzt.
Es ist gerade für uns als relative Neulinge in der Branche natürlich sehr wertvoll, Feedback zu unseren Prototypen von erfahrenen Autoren abzuholen und generelle Tipps und Tricks abzustauben.
Auch mit Klemens Luger (Magical Friends) aus Salzburg hat sich ein sehr gewinnbringender Austausch unter Spieleautoren und Eigenverlegern ergeben.
Werdet ihr auf der SPIEL in Essen sein? Warum sollte man bei euch vorbeischauen?
Klar sind wir in Essen dabei – das lassen wir uns nicht entgehen. Wir werden Aelderman vorstellen und auch zum Verkauf anbieten. Ihr könnt die Kurzversion als Demo an unserem Stand testen und uns persönlich kennenlernen.
Wenn ich euer Interesse wecken konnte, dann schaut gerne bei uns vorbei. Ihr findet uns in Halle 4 (4 J106). Ansonsten findet ihr weitere Informationen zu unserem Verlag und Aelderman auf unserer Webseite.
Zum Schluss würde mich interessieren, welche deine aktuellen Lieblings-Brettspiele sind.
Aktuell sind Arche Nova, Europa Universalis und Terraforming Mars meine Favoriten.
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