Ich nutze den Spiele-Offensive Online-Shop schon länger und bin auch schon bei einigen Projekten der Spieleschmiede eingestiegen.
Deshalb habe ich nun mal die Gelegenheit genutzt und mit einem der Gründer ein Interview geführt. Darin geht es um die Entstehung und Entwicklung des Online-Shops. Aber natürlich interessierte mich auch die Vorgehensweise bei Crowdfundings und was uns da noch in Zukunft erwartet.
Viel Spaß mit den interessanten Einblicken.
Hallo Frank. Bitte stell dich kurz meinen Lesern vor.
Ich bin Frank Noack, einer der beiden Gründer und Chefs von Spiele-Offensive.de und der Spieleschmiede.
Damit bin ich seit 16 Jahren im Spielegeschäft und so gesehen gewissermaßen ein alter Hase in diesem Bereich.
Wie bist du zum Brettspiel-Hobby gekommen und was waren deine ersten Brettspiele?
Von klein auf wurden in meiner Familie immer wieder Brettspiele gespielt. Als DDR-Kind hatte ich aber nur eine recht beschränkte Auswahl, bestehend aus einer klassischen Spielesammlung und einem Spiel namens Nervensäge – was seinen Namen echt verdient hat.
Mit meiner Oma hab ich schon damals selbst Spiele „erfunden“, die sie bewundernswerter Weise auch total geduldig mitgespielt hat.
Wie ist die Spiele-Offensive.de entstanden und was genau ist das?
Die Spiele-Offensive.de entstand 2002 als Onlineshop für Gesellschaftsspiele. Als damals noch freier Webentwickler hatte ich ein Shopsystem für einen Kunden gebaut, was damals sehr modern war. Der Kunde hat dann aber nie bezahlt und so hatte ich zwar ein Shopsystem, aber kein Geld.
Ich tat mich mit meinem Freund Robert Letsch zusammen und wir legten mit 100€ Startkapital los und nutzten das Shopsystem einfach selbst. Anfangs lief es als Trendshop mit 10 angesagten Artikeln aus der Spielzeugwelt – darunter auch Carcassonne, das damalige Spiel des Jahres, weil wir das selbst gern gespielt haben und natürlich auch Catan.
Die Spiele liefen so gut, dass wir schon nach ein paar Wochen beschlossen haben: Alles andere fliegt raus, wir machen nur noch Spiele und das aber richtig. Bei uns soll es ALLE Spiele geben, die man in Deutschland bekommen kann. Den Anspruch haben wir noch immer, auch wenn er natürlich in gewisser Weise utopisch ist. Dennoch haben wir schon seither Deutschlands größtes Sortiment aus Gesellschaftsspielen überhaupt.
Wie schwer ist/war es einen eigenen Online-Shop zu etablieren? Die Konkurrenz, vor allem Amazon, ist stark.
Wir haben genau zur richtigen Zeit angefangen. Als wir Spiele-Offensive.de gegründet haben, spielte Amazon im Spielegeschäft keine Rolle und war nur ein Buchhandel :). Unser Hauptwettbewerber war Spielenet, den wir aber etwa 4 Jahre später übernehmen konnten.
Natürlich entwickelte der Markt sich weiter und es kam finanziell überaus potente Konkurrenz dazu. Gegen Amazon, Thalia und Co. können wir nicht auf deren Schlachtfeldern kämpfen – also eröffneten wir einfach immer wieder neue. Wir waren der erste Spieleshop in Deutschland, bei dem Kunden Testberichte zu Spielen verfassen und veröffentlichen konnten. Wir haben als erste systematisch Spielregeln auf Video erklärt. Wir haben den ersten Online Spieleverleih eröffnet und wir betreiben Deutschlands wichtigste Crowdfunding Plattform für Gesellschaftsspiele, die Spieleschmiede und unterstützen mit unserer Veranstaltungsreihe Spielernetzwerk on Tour etwa 70 Spieleevents im deutschsprachigen Raum jedes Jahr.
Spiele-Offensive wurde also nach und nach mehr, als nur ein Onlineshop. Es ist nun auch eine Community (das Spielernetzwerk ist hier zu Hause) und ein Spieleverleih geworden, außerdem ist es eine riesige Datenbank mit ca. 40.000 Testberichten zu verschiedenen Spielen.
Kurzum: Wer sich für das Hobby Brettspiele begeistert, landet über kurz oder lang auch mal bei uns, selbst wenn er nie Kunde bei uns wird, weil die Spiele-Offensive.de den Spielekosmos in Deutschland umfassend bedient.
Wie seid ihr auf die Idee mit der Jubiläumswundertüte gekommen und wie wird diese angenommen?
Die Wundertüte ist unsere Geburtstagsaktion. Wir haben sie 2010 zu unserem 8. Jubiläum erstmalig angeboten. Die Idee dahinter war ganz einfach, unseren Geburtstag zu feiern mit einem Top Angebot aus guten Spielen in einer vielfältigen Mischung, auf die sich auch Spieleneulinge einlassen können.
Gewissermaßen ist es der kuratierte Grundstein für eine Spielesammlung, denn der Inhalt bietet in jeder Hinsicht Abwechslung. Freilich hätten wir auch einfach Spiele günstig im Sonderangebot anbieten können, aber eine Wundertüte hat aus psychologischer Sicht etwas magisches – wie ein Kindergeburtstag ;). Die Kunden machen sich damit gewissermaßen selbst ein Überraschungsgeschenk.
Das kommt gut an. Die Wundertüte ist jedes Jahr unsere verkaufsstärkste Aktion. Der Rekord liegt bei ca. 1.700 Stück in 2017. Aber die Menge ist inzwischen zu groß. Es wird zu schwer, sie mit Spielen zu befüllen, da die Anzahl der verkauften Tüten inzwischen die durchschnittliche Druckauflage eines Spiels aus einem Nischenverlag übersteigt. Wir werden sie in Zukunft wieder stärker limitieren.
Entgegen der öfters im Netz in Kommentaren zu lesenden Annahme, handelt es sich beim Inhalt der Wundertüte übrigens nicht um die Lagerräumung der Spiele-Offensive.de. Solche Mengen an Sonderposten und „Ramschware“ haben wir in der Regel nicht als Restposten zum Räumen da. Auch die Verlage nicht. Wir kaufen die Ware speziell für die Aktion ein und müssen das schon viele Monate vorher mit den Verlagen verhandeln, um genügend Exemplare zu einem passenden Preis zu bekommen. Nicht selten kommt es vor, dass die Spiele sogar extra für die Wundertüte (nach)produziert werden.
Unter eurem „Dach“ findet sich die Spieleschmiede. Wie ist diese Crowdfunding-Plattform entstanden und warum?
Als ich zum ersten Mal vom Crowdfunding erfuhr, war mir sofort klar, dass dieser Finanzierungsansatz für Gesellschaftsspiele wie geschaffen ist. Gesellschaftsspiele sind eine Gemeinschaftssache – nicht nur im Spiel selbst, sondern die ganze Spieleszene versteht sich ja als eine große Gemeinschaft Gleichgesinnter und ist ständig im Austausch. Noch dazu träumt fast jeder Vielspieler davon, irgendwann mal selbst ein Spiel zu machen oder zumindest an Spielen mitzuwirken. Das ist ideal, wenn es zum Crowdfunding kommt.
Da die Spiele-Offensive.de zu dieser Zeit (2012) mit dem Spielernetzwerk bereits eine starke Community hatte, war es naheliegend, die Idee auf dieser Basis umzusetzen und sie ins Spielernetzwerk zu integrieren. Aus dem Spielernetzwerk stammt übrigens auch der Name „Spieleschmiede“.
Wie sucht ihr euch Spiele aus, die ihr in der Schmiede auf deutsch umsetzen wollt?
Inzwischen fragen uns viele Verlagspartner bereits an, ob wir mit ihnen zusammen eine deutsche Lokalisierung machen können. Wir fahren aber auch auf viele internationale Messen, um schöne Spiele zu scouten und die Verlage zu überzeugen. Für viele Spiele erhalten wir aus dem Spielernetzwerk Vorschläge oder Anfragen und gehen denen dann nach.
Anfangs war es schwer Fuß zu fassen und überhaupt gute Spiele zu bekommen. Inzwischen haben wir tendenziell eher das Luxusproblem, dass wir uns die Spiele aus zahlreichen Angeboten auswählen können. Wenn da schon grundsätzliches Interesse für diese Spiele im Spielernetzwerk existiert, dann haben sie beste Chancen, oder wenn sie uns persönlich gut gefallen. Wirtschaftlich muss es natürlich auch machbar sein, aber unsere Projektmanager machen auch immer mal wieder ihre Herzensprojekte, wo die Zahlen dann keine große Rolle spielen.
Wie läuft so ein Crowdfunding bei euch von der ersten Idee bis zur Auslieferung ab? Wie viel Aufwand ist das?
Der Spieleschmiede-Prozess ist der aufwändigste Prozess im ganzen Unternehmen. Es gibt soviele Checklisten abzuarbeiten, dass es sogar eine Checkliste gibt, ob alle Checklisten abgearbeitet sind…
- Vereinfacht gesagt findet zunächst die Akquisephase statt. Hier wird mit dem Verlag verhandelt, alle möglichen Kalkulationen zur Machbarkeit gemacht und erstmal grundsätzlich alles in Sack und Tüten gebracht.
- Dann beginnt die Projektvorbereitung, bei der werden Landingpage und Video(s) erstellt und ggf. schon erste Marketingmaßnahmen für das Projekt durchgeführt.
- Es folgt die eigentliche Finanzierungsphase. Jetzt ist das Projekt in der Regel das erste Mal öffentlich sichtbar. Das ist mit viel Communityarbeit und Marketingaufwand verbunden.
- Es folgt die Produktionsphase. In vielen Fällen muss die Schmiede die Übersetzung koordinieren und Produktionsvorbereitungen machen und das dann alles dem Verlag bereitstellen. Der kümmert sich dann in der Regel um die Produktion.
- Jetzt ist die Logistik gefragt, um die Spiele erst zu uns und dann von uns zum Schmied zu bekommen.
In der Regel dauert so ein Projektverlauf etwa 8 Monate, bei Problemen aber auch mal bis zu 2,5 Jahren.
Das Allerschwierigste ist eigentlich immer die Koordination mit dem Partnerverlag. Hier tickt jeder anders und ist teilweise leider auch richtig schlecht erreichbar oder macht unerwartete Änderungen usw. usf.. Gerade, wenn wir die Verlage noch nicht als Geschäftspartner kennen, ist sowas immer sehr schwer einzuschätzen. Unsere eigenen, internen Prozesse haben wir dagegen super im Griff.
Wie siehst du generell die Entwicklung in der Brettspiel-Branche hin zu Kleinverlagen, Crowdfunding, sehr vielen neuen Spielen etc.?
Die neuen Produktionmöglichkeiten mit ihren Kleinstauflagen verändern den Markt ganz enorm. Ich persönlich finde das gut, denn so entstehen Spiele, die sich früher nie jemand zu machen getraut hätte, weil das witschaftliche Risiko einfach zu hoch wäre.
Jedoch sehe ich eher eine Art Konsolidierung in der Spielebranche als Trend, anstatt eine noch stärkere Granularisierung hin zu mehr Kleinverlagen. Im Gegenteil, es entstehen jetzt in der ganzen Welt viele größer werdende Player aus Zusammenschlüssen oder durch Zukäufe (Plan B, CMON, Black Rock, Indie Game Studios), die die kleineren Marken eher wie in der Videospielbranche als Studios verwalten.
Ich vermute, das geschieht als Reaktion auf Asmodee und es hat natürlich auch Auswirkungen darauf, wie die Verlage miteinander umgehen.
Auf welche interessanten Spieleschmiede-Projekte können wir uns in nächster Zeit freuen?
Sven und Tien waren gerade erst auf der GenCon und kamen mit etlichen tollen Brocken im Gepäck zurück. Freilich ist hier noch nicht zuende verhandelt, aber wenn auch nur ein viertel davon klappt, werden wir für die Schmiede ein paar sehr tolle Projekte haben.
Aber, um bei ganz aktuellen Sachen zu bleiben: Jetzt gerade ist ja Die Hunnen kommen gestartet, was ich auf der UKGE das erste mal ausprobieren konnte. Das ist wirklich ein sehr schönes Spiel aus Frankreich, was dort echt riesige Wellen geschlagen hat.
Die Erweiterungen für Champions of Midgard stehen für den Herbst auch schon auf der Liste und wir warten nur noch auf einen Produktionsslot für Pursuit of Happiness, an den wir eine deutsche Auflage dranstöpseln könnten, um das entsprechende Crowdfunding auch starten zu können (eine Einzelauflage wäre leider zu teuer).
Zum Schluss würde mich interessieren, was deine aktuellen Lieblings-Brettspiele sind.
Aktuell spiele ich, je nach Mitspielern, am liebsten Viticulture, The Gallerist oder Half-Pint Heroes. Und ich habe das gute alte Yedo wiederentdeckt.
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