Bild: Verlag
Als ich das Thema von Genotyp: Ein Spiel über die Mendelsche Genetik gesehen habe, war ich gleichzeitig fasziniert, aber auch ein wenig abgeschreckt.
Ich mag Wissenschafts-Themen in Brettspielen sehr und das macht Genotyp auch ziemlich einzigartig, aber ich war mir unsicher, wie gut und vor allem wie unterhaltsam das Thema Genetik hier umgesetzt wurde.
Wie Genotyp funktioniert, welche Mechaniken das Brettspiel mitbringt, wie es mir gefällt und warum es mein Spiel des Monats geworden ist, erfahrt ihr im Folgenden.
(Hinweis: Das Spiel wurde mir vom Verlag vergünstigt bereitgestellt.)
Worum geht es im Spiel Genotyp?
Der Name Genotyp lässt schon vermuten, dass es hier um Genetik geht. Wir gehen zurück in die Zeit von Gregor Mendel, der als Pionier der Genetik gilt.
1822 geboren, forschte der Priester des Augustinerordens an Kreuzungs-Versuchen von Erbsenplanzen, die er im Klostergarten durchführte. Damit war er Begründer der Vererbungslehre, die nach ihm als „Mendelschen Regeln der Vererbung“ benannt wurden. Im Begleitheft von Genotyp finden sich weitere Informationen zum Hintergrund des Spiels, was ich toll finde. Darin werden die wissenschaftlichen Grundlagen erklärt und wie diese im Spiel umgesetzt wurden.
Genotyp war ein Kickstarter, der nun auf deutsch beim Schwerkraft-Verlag erschienen ist und wir treten hier in die Fußstapfen von Mendel. Wir forschen selbst und nutzen verschiedene Elterngene, um Aufgaben auf Pflanzen-Karten zu erfüllen. Thematisch gesehen erforschen wir diese.
Genotyp(Schwerkraft-Verlag) |
In diesem Worker Placement und Dice Drafting Spiel sind wir WissenschaftlerInnen, die Pflanzen züchten und Daten sammeln. |
Autoren: John Coveyou, Paul Salomon, Ian Zang Grafiker: Tomasz Bogusz, Amelia Sales |
1 - 5 Spieler ab 14 Jahren 45 - 90 Minuten 7.5 von 10 BGG Bewertung Pos. 1236 BGG Position |
Interessantes wissenschaftliches Thema mit meinen Lieblingsmechanismen. |
Durch das Einsetzen der eigenen „Arbeiter“, als kleine Schaufeln dargestellt, bekommne wir neue Auftragskarten, einmalig nutzbare Werkzeuge, Geld, man kann einen Teil von Auftragskarten gegen Geld erfüllen, heuert dauerhafte Assistenten an und einiges mehr. Auch 2 weitere „Arbeiter“ kann man sich holen, was hier aber nicht zwingend notwendig ist, was ich toll finde. Es gibt andere Worker Placement Spiele, da sind weitere Arbeiter zwingend notwendig, um zu gewinnen.
Würfel draften
Im zweiten Teil jeder der 5 Runden draften wir Würfel, die vorher geworfen werden. Es gibt 4 Farben und je 5 Würfel davon. Je nach geworfener Würfelseite und ggf. veränderter Zuordnung stehen die Würfel für eines von je 3 Merkmalen des betreffenden Pflanzenteils.
Wir brauchen also bestimmte Würfel, um die Aufgaben (zwischen 2 und 4) auf unseren Karten zu erfüllen. Wir können so viele Würfel draften, wie wir Würfel-Plätzen auf unserem Tableau und ggf. zusätzlich gekauften Würfelplätzen haben.
Allerdings kann man durch Worker Placement eher mit der Würfelauswahl dran sein, als durch die normalen Spielerreihenfolge. Wenn man seinen Arbeiter in die 1. bzw. 2. Schicht einsetzt, ist das der Fall. Allerdings ist hier auch Vorsicht geboten, denn kann man dann keinen passenden Würfel in der ersten Schicht nehmen (die jeweils einem der 4 Merkmale zugeordnet ist) muss man für den Rest dieser Phase passen, was schon hart ist. Aber auch irgendwie konsequent und man sollte sich das gut überlegen (bzw. Werkzeuge haben, mit denen man Würfel anpassen kann).
Ebenfalls per Worker Placement können wir übrigens ändern, welche Würfelseiten welchen Merkmale zugeordnet sind. Man nimmt also hier Einfluss auf die Wahrscheinlichkeiten und auch das wird im Begleitheft wissenschaftlich erklärt.
Ernten
Per Gärtner-Aktion werfen wird fertige Auftragskarten von unserem Tableau ab und „pflanzen“ neue Karten auf unseren Beeten an. Die erfüllten Auftrags-Karten bringen am Ende ordentlich Siegpunkte. Aber auch für nicht komplett erfüllte Karten gibt es zumindest einen Siegpunkt je abgedecktem Merkmal. Immerhin.
So spielen wir 5 Runden und versuchen am Ende die meisten Punkte durch erfüllte Auftragskarten zu haben. Hinzu kommen noch Punkte für Forschungsmarker, mit denen wir Schwerpunkte bei unserer Forschung setzen können und auch für übrige Münzen gibt es am Ende Siegpunkte.
Warum ist Genotyp mein Spiel des Monats?
Zum einen finde ich das Thema von Genotyp einfach toll. Ich finde es wichtig auch im Brettspiel-Hobby die Themen Wissenschaft und Forschung positiv und interessant darzustellen, anstatt immer nur verrückte Wissenschaftler als Gegenspieler einzusetzen, die dafür sorgen, dass die Welt untergeht.
Wissenschaft hat unser Leben in so vielen Dingen verbessert und täglich nutzen wir unzählige Dinge, die ohne Wissenschaft nicht möglich wären. Natürlich bringt wissenschaftliche Forschung auch Risiken mit und WissenschaftlicherInnen sind eben auch nur Menschen. Dennoch überwiegen für mich die positiven Dinge mehr als deutlich und ich bin deshalb sehr froh über jedes Spiel, welches Wissenschaft positiv und konstruktiv darstellt.
Gestaltung und Mechaniken
Optisch ist Genotyp ebenfalls ein sehr schönes Brettspiel. Das Spielbrett ist sehr schön gestaltet und auch das Spielmaterial finde ich gelungen. Besonders die Würfel sehen einfach schick aus. Thematisch passt das alles sehr gut rein, ist aber auch spielerisch sehr angenehm.
Es gibt noch ein Luxus-Pack, welches beim Verlag kaufbar sein wird. Dieses enthält Metall-Münzen und andere Kickstarter-Extras. Damit ist alles noch hochwertiger, aber ich brauche das nicht. Ich finde die Ausstattung der „normalen“ Version schon sehr gut.
Was in der normalen Box drin ist, seht ihr in meinem Unboxing-Video.
Der dynamische Markt im Spiel, auf dem man am Ende jeder Runde neue Beete, Würfelplätze, neuer Arbeiter und Assistenten kaufen kann, funktioniert gut. Mit jedem Kauf wird der Preis des entsprechenden Gegenstandes um 1 Geld teurer. Am Ende der Runde fällt dann alles um 1 Geld. Das sorgt dafür, dass hier eine schöne Dynamik reinkommt und sich bei jeder Partie die Preise etwas anders entwickeln.
Die Mechanik, die Merkmale auf den eigenen Auftragskarten abzudecken, um diese zu erfüllen, ist ebenfalls einfach, aber effektiv. Allerdings habe ich diese Marker immer etwas neben die Merkmals-Buchstaben gelegt, da es durchaus immer noch wichtig ist zu wissen, welche Merkmale man auf den Karten hat, auch wenn diese erfüllt sind. Evtl. wäre hier was transparentes zum Abdecken ganz nett gewesen.
Durch die Effekte von Werkzeugen und Assistenten kann man gute Kombis nutzen und dadurch ist es mehr, als nur ein einfaches Würfel aussuchen und abdecken. Gerade an dieser Stelle effiziente Züge zu machen, finde ich immer wieder herausfordernd und wichtig für den Sieg.
Die genannten Assistenten sind vielfältig und sehr stark, wobei ich manche einfach besser finde, als andere. Aber auch die Werkzeuge sind nützlich, wenn auch nur einmal. Dennoch sind sie im richtigen Moment Gold wert. Dafür ist allerdings gute Vorausplanung wichtig und das Geld ist meist recht knapp.
Interaktion und Balance
Interaktion gibt es in Genotyp nicht nur durch Worker Placement, sondern auch durch Änderung der Merkmal-Zuordnung bei den 4 Würfelbereichen. Zudem ist die Reihenfolge, in der man auf die Würfel zugreift, schon wichtig. Schließlich nimmt man sich ggf. Würfel weg.
Toll finde ich zudem, dass es hier zwar nicht schlecht ist weitere Arbeiter zu bekommen, aber es ist nicht zwingend notwendig. Man kann das Geld auch gut in andere Dinge investieren und dennoch gewinnen. Es gibt leider viele Worker Placement Spiele, bei denen neue Arbeiter zwingend notwendig sind und wer diese als erster bekommt, gewinnt häufig. Bei Genotyp ist es eine mögliche Strategie, die aber weder zwingend notwendig ist, noch zu schwach. Es ist einfach gut ausbalanciert.
Die angenehme Spielzeit zwischen 60 und 90 Minuten ist ebenfalls ein Pluspunkt. Das ist man von anspruchsvolleren Spielen ja heute fast nicht mehr gewohnt.
Solo-Erfahrungen
Ich habe Genotyp natürlich auch solo gespielt, denn es liegt in der Box ein Automa-Kartendeck dabei. Dass dieser Solo-Modus aber nicht ganz so einfach ist, sieht man schon an den knapp 6 Seiten Reglen, die in der Anleitung dafür enthalten sind.
Die Automa-Karten werden, wie bei anderen Spielen, oft in einer Kombination aus 2 Karten genutzt. Die erste Karte gibt in der Regel die Aktion des Gegners an, während die zweite Karte bestimmt, welchen Wert oder Bereich es betrifft. Das funktioniert an sich sehr gut, aber ich musste in den ersten Solo-Partien immer wieder nachschauen, was der Automa genau macht. Ich finde die Darstellung auf den Karten nicht ganz so intuitiv. Nach ein paar Partien ist es aber klar.
Dennoch finde ich den Solo-Modus etwas komplizierter, als das normale Mehrpersonenspiel. Das liegt unter anderem daran, dass eine zusätzliche Phase dazukommt und die 3 kleinen Karten mit den Automa-Aktionen pro Phase (Vorder- und Rückseite), leider keine große Hilfe sind. Diese sind einerseits sehr klein mit ebenfalls kleinem Text und man muss sie immer wieder umdrehen. Da wäre mir eine größere und besser lesbare Solo-Spielhilfe lieber gewesen.
Zudem hätte man evtl. noch eine einfachere Solo-Variante einbauen können, wie man sie zum Beispiel von Nusfjord und anderen Spielen kennt. Indem man einfach jede Runde abwechselnd anderer Arbeitermeeple nutzt und sich damit selbst blockiert. Ob das natürlich funktioniert kann ich nicht sagen, aber ich hätte mir noch eine einfachere Solo-Variante gewünscht.
Dennoch ist der Solo-Modus gut gelungen und wenn man erstmal drin ist, läuft es rund und geht recht schnell.
Spiel des Monats – Checkliste
Im Folgenden gehe ich auf einige Punkte gesondert ein, die mir wichtig sind.
Einstiegshürde | Das recht klassische Worker Placement ist einstiegsfreundlich, während es beim Dice Drafting am Anfang Irritation gab, wie viele Würfel man nehmen darf. Das hat sich nach der ersten Runde aber gelegt. |
Anspruch | Spielerisch ist Genotyp nicht kompliziert, aber um die Aufträge ideal zu erfüllen und die Möglichkeiten optimal einzusetzen, bedarf es Erfahrung und da ist jede Partie wieder anspruchsvoll. Ein sehr gutes Kennerspiel, wie ich finde. |
Besonderheiten | Der dynamische Markt gefällt mir sehr, aber auch die verschiedenen Hilfsinstrumente und die Würfel-Manipulation sind toll. Das Thema ist natürlich ebenfalls was ganz besonderes. |
Qualität | Die Qualität der Spielmaterialien ist sehr gut. Schönes Spielmaterial, schicke Illustrationen und tolle Würfel sind hier dabei. Nur die Hilfekarten für den Automa sind zu klein. |
Wiederspielwert | Für mich bietet sich hier ein sehr hoher Wiederspielwert, da ich immer wieder Lust darauf habe die Aufträge optimal zu erfüllen und das Beste rauszuholen. Ich liebe einfach Worker Placement und Dice Drafting und diese beiden Mechaniken werden hier sehr gut verbunden. |
Spielzeit | Die Spielzeit liegt zwischen einer Stunde und 90 Minuten, was sehr angenehm ist. |
Fazit – Genotyp
Genotyp sticht vor allem durch das Thema aus der Masse an Neuveröffentlichungen heraus und natürlich auch dadurch, dass man das Thema so gut mechanisch im Spiel umgesetzt hat.
Die Mechaniken selbst sind keine Revolution, aber die Kombination von Worker Placement und Dice Drafting finde ich sehr gelungen. Zumal hier die Manipulation der Würfel ebenfalls sehr thematisch und spielerisch interessant umgesetzt wurde.
Insgesamt ein tolles Brettspiel, bei dem man zwar jede Runde irgendwie dasselbe macht, aber durch die vielen Worker Placement Möglichkeiten, den Geldmangel, spannende Kombinationen, Assisten, Werkzeuge und mehr ist das Spiel immer wieder interessant und man trifft spannende Entscheidungen.
Genotyp hat mir auf jeden Fall sehr gut gefallen und ich freue mich auf weitere Partien.
Genotyp (Schwerkraft-Verlag)
Vorteile
- Sehr gute thematische Umsetzung
- Gute Kombination aus Worker Placement und Dice Drafting
- Tolle Illustrationen und Würfel
- Dynamischer Markt
- Wenig Downtime und schnelle Partien
Nachteile
- Passende Assistenten am Anfang des Spiels sehr stark
- Kann man keinen Würfel in 1. Schicht nicht nutzen, muss man komplett passen
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